< Übersicht | 03.04.2022 | Hans Peter Wild

Ausstellungseröffnung "Aufbruch in die Moderne"

Im Beisein zahlreicher Kunstinteressierter sowie Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kultur wurde am vergangenen Samstag in der Großen Hofstube der Plassenburg vom Oberbürgermeister der Stadt Kulmbach, Ingo Lehmann, der stellvertretenden Landrätin Christina Flauder, der Leiterin des Landschaftsmuseum Obermain Nina Schipkowski und dem Kurator Günther Wild die Ausstellung "Aufbruch in die Moderne" mit etwa 130 Werken von elf bedeutenden Kulmbacher Künstlern eröffnet, die den Weg von der romantisierender Genremalerei des ausgehenden 19. Jahrhunderts hin zu kubistischen und surrealistischen Ausdrucksformen des 20. Jahrhunderts aufzeigen.

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Vertretene Künstler

Die Ausstellung des Landschaftsmuseums Obermain aus Leihgaben und Depotbeständen der Stadt enthält Werke bekannter und weniger bekannter Künstler mit Bezug zu Kulmbach, die zum Teil wohl noch nie in einer Ausstellung zu sehen waren.

Mit Johann Carl Hetz (1828-1899) und Johann Michael Friedrich Weiß, genannt Michel Weiß (1867-1951), aber auch mit dem im 20. Jahrhundert wirkenden Christian Schmidt (1898-1980) sind Künstler der "alten Schule" - des romantischen Realismus, der biedermeierlichen Manier, der "vergangenen Weltordnung von Ausgeglichenheit und Ruhe" (Günther Wild) zu finden. Michel Weiß, so Wild, zeigt bereits Signale einer sozialkritischen Weitsicht, die aber in seinen Bildern noch wenig durchschaubar sind.

Hein Kaske (1901-1985), geprägt von der Wandervogelbewegung und der Reichsjugendbünde der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts, markiert laut Wild eine malerische Zeitenwende und Stilrichtung mit völkisch-nordisch, heroischer Aura im Gepräge der damaligen NS-Zeit. Konterkariert wird dies durch expressionistische, vielfach Themen des Neuen Testaments darstellende Werke Christian Straßburgers (1908-1945), einem Schüler Professor Schiestls an der Kunstgewerbeschule Nürnberg, der sich hervorragend grafischer Techniken rund um Kupferstich, Holz- und Linolschnitt bedient.

Egon Engelien (1896-1967) ist Bauhauskünstler und experimentiert mit geometrischen Formen einer konstruktivistischen Welt. "Der Mensch erstarrt" (Wild), dies ist dem Künstler wohl nicht verborgen geblieben, so dass Engelien in seinem Spätwerk in eine gegenständlichere Malerei zurückgefunden hat, der Georg Schmidt (1911-2001) mit seinem impressionistischen Bildern und Themen zeitlebens verbunden war.

Erich Hiemisch (1922-2007) hat sich der alten Technik der Hinterglasmalerei gewidmet, wobei es ihm hier gelungen ist, eine eigene Maltechnik zu entwickeln, "die sich in kunstvollen Farbfantasien mit großflächigen Schwüngen und Bewegungen niederschlug und Landschaften, stimmungsvolle Naturerscheinungen, Blumen und Baumgestalten zur Darstellung brachte" (Wild). Eine besondere Rolle kam ihm in der Ausgestaltung des Öffentlichen Raums mit großen Bronzeskulpturen zu, wie zum Beispiel dem Gewürzbrunnen in der Kulmbacher Langgasse.

Max Wild (1911-2000), Caspar Walter Rauh (1912-1983) und Hans Georg Lewerenz (1915-2006) bilden den Abschluß der Ausstellung. Während in Max Wilds Werken die "dominierende Macht der Natur" (Wild über Wild) zum Vorschein kommt, zeichnen sich die phantastisch bis bedrohlich wirkenden Werke von Rauh und Lewerenz meist durch die Darstellung von surrealen Traumgestalten, -gebilden und -landschaften aus. Allen gemein ist ein gewisser Kulturpessimismus - die Erklärung desselben überlässt Günther Wild explizit dem Besucher der Ausstellung über die innere Erschließung der präsentierten Werke in der jeweils individuellen Betrachtung.

Ausstellungskonzept, Wahrnehmung & Rahmen

Die Ausstellung führt von den Künstlern alter Schule des ausgehenden 19. Jahrhunderts im Eintrittsbereich über Kubisten, Impressionisten, Realisten des 20. Jahrhunderts im Hauptraum herüber zu phantastisch-surrealistischen Werken am "anderen Ende" der Großen Hofstube, die mit dem "Lewerenz-Stil" (Günther Wild) als Kulmination den Übergang in das 21. Jahrhundert markiert.

Zugespitzt formuliert ist es ein Gang von der Gemütlichkeit einer vermeintlich heilen Welt der ausgehenden Romantik und des Biedermeiers über die beiden Weltkriege hinweg zum Pessimismus des Atombombenzeitalters.

Die Ausstellung sollte ursprünglich 2020 zum 75. Jahrestags des Kriegsendes in Deutschland stattfinden und wurde coronabedingt mehrfach verschoben. Den räumlichen Kern der Ausstellung bilden deshalb die kantigen Künstlercharaktere von Straßburger, Kaske, Engelien, Hiemisch, Wild, Rauh und Lewerenz - Absolventen der bedeutenden deutschen Kunstakademien, die sich im Rahmen der Kriegswirren des II. Weltkriegs autochthon und allochthon aus allen Ecken des untergehenden beziehungsweise untergegangenen Reiches im kleinen, weitgehend kriegsverschontem Kulmbach zusammenfanden, vollkommen unabhängig voneinander, und - Ausstellungen ausgenommen - wohl in gepflegter gegenseitiger Abgeschiedenheit ihr anfänglich materiell karges, wenn auch künstlerisch ungeheuer reiches Dasein fristeten.

So ist es nicht verwunderlich, dass man - ebenfalls in der räumlichen Mitte der Ausstellung - verstörende, jedoch beeindruckende Bilder, beispielsweise von nächtlich marschierenden Soldaten (Straßburger), einer Flak-Stellung der Wehrmacht in Kiew (Hiemisch) oder Flucht und Vertreibung (Wild) findet. Jahrzehnte des Friedens in unseren Breiten sind seit deren Erstellung vergangen, doch besitzen diese Werke gerade jetzt Unheimlichkeit und erschreckende Aktualität. Dieser Tenor fand sich in allen Reden zur Eröffnung der Vernissage wieder, zusammen mit der Erkenntnis, dass in den Depots der Plassenburg künstlerische Schätze einlagern, deren Bergung mit Sicherheit lokales, regionales und überregionales Interesse hervorrufen sollte und Kulmbach einen Ruf als "Heimliche Hauptstadt der Kunst" einbringen könnte.

Die Vernissage wurde durch Gemälde, Plastiken und Entwürfe von Ursula Wolf im Foyer eingeleitet, die auch während der gesamten Ausstellungszeit zu sehen sein werden. Den musikalisch "roten Faden" der Ausstellungseröffnung hielt die in Bayreuth aufgewachsene Pianistin und Komponistin Lucie Cerveny in ihren Händen, die mit ihrer sicheren Auswahl und wunderschönen Darbietungen von Jacques Iberts (1890-1962) "Histories: Nr. VII Bajot La Mesa" und Leoš Janáčeks (1854-1922) "Auf verwachsenem Pfade: Nr. 1 Naše večery" bis zu ihrer Eigenkomposition "In Love" die Eröffnungsreden dezent eintaktete und dadurch dem Ausstellungskonzept einfühlsam und gekonnt gefolgt ist.

Ein besonderer Dank geht an das Team und die Leitung des Landschaftsmuseums Obermain für ihre selbstverständliche Unterstützung der Fotoaufnahmen für diese Website!

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